Donnerstag, 13. September 2012

Warum ein Schuldenschnitt die bessere Lösung ist


In der Faz vom 13.09 stand : http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise-warum-ein-schuldenschnitt-die-bessere-loesung-ist-11889009.html

Warum ein Schuldenschnitt die bessere Lösung ist
13.09.2012 ·  Die Eurozone steht vor der Wahl: Entschuldung durch Inflation oder Schuldenschnitt für einzelne Krisenländer. Inflation ähnelt einem Flächenbombardement, das jeden trifft. Gezielter wirkt ein Schuldenerlass, allerdings nur, wenn er noch rechtzeitig kommt. Die EZB hat es in der Hand.
Von Ulrich Hege und Harald Hau


© akg-images Schuldenerlass im Jahr 1535: Kaufmann Anton Fugger verbrennt den Schuldbrief Kaiser Karls V., der sich Geld für den Tunesien-Feldzug geliehen hatte.
Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) vom Mittwoch ist der Weg frei für riesige Transferzahlungen innerhalb der Eurozone. Zudem hat der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) am 6.September die Möglichkeit geschaffen, in unbegrenzter Höhe kurzfristige Anleihen von Krisenländern zu kaufen, wenn diese sich zur Konditionalität verpflichten. Während in Finanzzentren wie London oder New York die Freude groß ist, eröffnen die beiden Beschlüsse vermutlich ein finsteres Kapitel der europäischen Wirtschaftsgeschichte.
Die Eurozone erlebt zurzeit eine klassische Schuldenkrise. Die Überschuldung, ob öffentlicher oder privater Natur (wie es ursprünglich in Irland und Spanien der Fall war), verhindert Investitionen und Wachstum, weil von neuem Geld hauptsächlich die Altgläubiger profitieren und nicht die Volkswirtschaften der betroffenen Länder. Geringes Wachstum und Kapitalflucht wiederum verstärken die Schuldenproblematik und führen in eine Abwärtsspirale, aus der verspätetes Sparen keinen Ausweg mehr bietet. Wer daher eine Krisenstrategie entwickeln will, muss sich fragen, wie wirksam sie das Hauptproblem der Überschuldung löst.
Die langfristige Perspektive: Inflation oder Schuldenschnitt?
Aus historischer Sicht kommen Überschuldungkrisen häufig vor. Berechnungen von Reinhart und Rogoff zeigen, dass in den vergangenen zwei Jahrhunderten in einem Drittel aller Jahre jeweils mehr als ein Fünftel der Staaten zahlungsunfähig war; zeitweise waren es sogar zwischen 30 und 50 Prozent. Staatsinsolvenzen sind also nicht selten, kommen in Wellen, und sie haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten wieder deutlich zugenommen.
Bei einer Schuldenkrise gibt es langfristig immer zwei Wege der Entschuldung. Erstens über eine Steigerung der Inflation, die den realen Wert der nominalen Schulden senkt: Eine Inflationssteigerung von drei Prozent bedeutet einen 34-prozentigen (kumulativen) realen Schuldenschnitt auf eine zehnjährige Anleihe. Leider ähnelt die Inflationierung einem Flächenbombardement. Sie senkt die Schuldenlast aller staatlichen und privaten Schuldner, unabhängig von deren Zahlungsfähigkeit, und bürdet daher den Sparern insgesamt viel höhere Lasten auf als erforderlich. Die zweite, gezieltere Politikmaßnahme ist der Schuldenschnitt, der verschiedene Formen annehmen kann. Er kann primär auf eine Reduzierung des Kreditnominalwertes zielen oder auf eine zeitliche Streckung der Rückzahlungen. Im letzteren Fall kann ein verschuldeter Staat durch den Austausch von kurzfristigen Schulden gegen langfristige Schuldtitel eine dauerhafte Entlastung des öffentlichen Haushalts erreichen, wenn dabei ein hinreichend moderates Zinsniveau gewählt wird.
Verteilungskämpfe zwischen privaten Gläubigern und Steuerzahlern
Schuldenkrisen führen immer zu harten Verteilungskämpfen, und in der europäischen Schuldenkrise ist dies nicht anders. Den privaten Gläubigern wie Banken, Investmentfonds oder Privatanlegern ist bewusst, dass sie dem Krisenstaat gegenüber in einer sehr schwachen Verhandlungsposition sind. Ihre beste Strategie besteht darin, ihr eigenes Anlagerisiko auf die vorläufig noch solventen Staaten der Eurozone zu übertragen. Durch Rettungsfonds wie den ESM wird genau dies erreicht, denn die risikobehafteten Investitionen privater Anleger werden durch öffentliche Mittel aus anderen Eurostaaten ersetzt. Die Überschuldungskrise einzelner Länder wird so letztlich zur Überschuldungskrise aller anderen Länder, ohne dass ein Nettoentlastungseffekt für die Eurozone als Ganzes entsteht. Institutionelle Finanzmarktinvestoren haben im Übrigen keinerlei Vertrauen in die Rettungsschirme. Aber sie fordern sie lauthals und unterstützen sie mit Begeisterung, solange ihnen damit ermöglicht wird, das eigene Kreditrisiko auf die Steuerzahler abzuladen.
Kommt es dagegen zum Schuldenschnitt in einem überschuldeten Land, erleiden Bankaktionäre, Investoren in Pensions- und Anleihenfonds und private Direktanleger tatsächliche Verluste. Weltweit ist das Finanzvermögen sehr konzentriert: In fast allen Staaten befinden sich mehr als 90 Prozent des gesamten Finanzvermögens in der Hand von nur 5 Prozent der Haushalte. Ausländische Gläubiger stellen oft eine noch elitärere Gruppe dar.
Deutsche Steuerzahler zahlen 80 Milliarden für Griechenland
Das Beispiel Griechenland zeigt, wie erfolgreich private Gläubiger bei ihrem Risikotransfer handelten. Waren vor zwei Jahren die griechischen Schuldtitel noch ganz überwiegend in privatem Besitz, so befinden sich nun etwa 70 Prozent in staatlichen Händen. Da Griechenland seine gewaltigen Restschulden von mehr als 300 Milliarden Euro nicht begleichen kann, ist ein zweiter griechischer Schuldenschnitt unvermeidbar. Hierbei kommen auf die deutschen Steuerzahler Kosten in Höhe von ungefähr 80 Milliarden Euro zu.
Eine nicht unerhebliche Rolle spielen die deutschen und internationalen Bankenverbände, deren Vertreter suggerieren, mit der „Staatenrettung“ werde das Anlagevermögen von Normalbürgern, wie zum Beispiel deren private Lebensversicherungen, geschützt. Angesichts der tatsächlichen Besitzverteilung von Finanzanlagen findet stattdessen eine gewaltige Umverteilung von Steuerzahlern hin zu überwiegend reichen Finanzmarktinvestoren statt.
Die EZB-Strategie ist ohne Erfolgsaussicht: Das Inkrafttreten des ESM und der EZB-Beschluss vom 6.September leiten die nächste Runde der Risikoumverteilung ein - mit ungleich größeren Einsätzen als im Fall Griechenlands. Offizielles Ziel der EZB-Politik ist es, durch umfassende Käufe notleidender Staatsanleihen die Anleiherenditen der betroffenen Länder zu reduzieren. Diese Strategie ist zum Scheitern verurteilt, denn sie widerspricht sowohl dem Kenntnisstand der empirischen Finanzmarktforschung als auch der nüchternen Logik: Finanzmärkte bewerten Staatsanleihen gemäß der besten Einschätzung des Investitionsrisikos. Solange die verschuldeten Länder weiter Schuldtitel am Markt plazieren, werden die Finanzmärke auch dann noch eine Prämie für das Insolvenzrisiko verlangen, wenn 90 Prozent aller ausstehenden Anleihen eines Landes von EZB und ESM gehalten werden. Auf Dauer werden die Anleihekäufe daher keinen nachhaltigen positiven Effekt auf die Finanzierungskosten der überschuldeten Länder erzielen. Diese Erfahrung hat die EZB im Fall Griechenlands selbst gemacht. Die Zentralbank hat für 60 Milliarden Euro griechische Staatstitel gekauft, ohne dauerhaft deren Marktpreise beeinflussen zu können.
Politische Erpressbarkeit statt Konditionalität
Warum treten die südlichen Länder der Eurozone so nachdrücklich für solche Anleihenkäufe ein? Man kann ihre Position als eine moderne Version von „Beggar-thy-neighbour“ bezeichnen, also einer nationalen Interessenpolitik, die wie in der großen Depression der dreißiger Jahre eigene wirtschaftliche Schwierigkeiten auf die Nachbarstaaten abzuwälzen versucht. Durch umfassende Anleihenkäufe übernimmt die EZB erhebliche Kreditrisiken, die alle Mitgliedländern der Eurozone gemeinsam tragen. Statt das Risiko einer Staatsinsolvenz zu verringern, werden die Anleihenkäufe der EZB paradoxerweise zum gegenteiligen Effekt führen. Je größer der Anteil des Insolvenzrisikos, den inländische Investoren (Banken, Versicherungen, private Lebensversicherungen) auf die EZB übertragen, desto mehr wächst das nationale Eigeninteresse an solch einer Insolvenz. EZB-Käufe von Staatsanleihen können die Staatsinsolvenz bestenfalls aufschieben, werden sie aber nicht unwahrscheinlicher machen.
Eine Analyse der Kräfteverhältnisse zwischen EZB und den Krisenländern zeigt, dass die angekündigte „Konditionalität“ beim neuen Aufkaufprogramm der EZB rasch zur Makulatur wird. Je mehr faule Staatsanleihen die EZB in ihrer Bilanz ansammelt, desto erpressbarer wird sie, denn die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Landes wird zum Problem für die EZB, wenn diese nach und nach zum Hauptgläubiger wird. Bedingungen sind nur sinnvoll, wenn sie nicht zu dieser graduellen Aushöhlung der Verhandlungsposition der EZB führen. Da die Notenbank nur Staatsanleihen mit kürzeren Laufzeiten (von bis zu drei Jahren) kaufen will, erhöht sich für die betroffenen Länder der Anreiz, ihre Schuldenaufnahme ebenfalls auf kürzere Laufzeiten umzustellen. Das verstärkt ihre Abhängigkeit vom Kapitalmärkt weiter, und ESM und EZB werden in immer kürzeren Abständen eingreifen müssen.
Ein rascher Schuldenschnitt als Alternative
Während viele Zentralbanker und Politiker sich weigern, ernsthaft über einen geordneten Schuldenschnitt nachzudenken, wird die Zeit dafür knapp. Das griechische Beispiel zeigt, dass ein ordentlicher Schuldenschnitt entgegen vielen düsteren Prognosen nicht zu Marktturbulenzen und Panikreaktionen führen muss. Die Staatsanleihen sind ganz überwiegend gemäß nationalem Recht ausgegeben (mehr als 96 Prozent in Italien und mehr als 99 Prozent in Spanien). Deshalb ist es leicht, den rechtlichen Rahmen in den Krisenländern so abzuändern, dass verpflichtende Umtauschangebote durchgeführt werden können. Die Haushaltsdefizite vor Zinszahlungen (Primärdefizite) sind in allen fünf überschuldeten GIIPS-Staaten - Griechenland, Italien, Irland, Portugal, Spanien - deutlich reduziert, Italien weist sogar einen Überschuss auf. Eine Umschuldung ist daher eine echte politische Alternative, auch wenn dem betreffenden Staat dadurch der Kapitalmarktzugang verlorengeht.
Es besteht ein erheblicher Erfahrungsschatz, wie geordnete Umschuldungen von Staaten erfolgreich durchzuführen sind. In Umschuldungsverhandlungen erfahrene internationale Juristen, wie zum Beispiel Lee Buchheit, halten eine Umschuldung in den Krisenländern der Eurozone für juristisch durchsetzbar und ökonomisch praktikabel. Nach Auswertung zahlreicher Staatsinsolvenzen kommt die empirische Wirtschaftsforschung zu dem Ergebnis, dass deren volkswirtschaftliche Kosten meist kurzfristig sind. Die wirtschaftliche Erholung beginnt typischerweise schon im zweiten Jahr, insbesondere wenn die mit der Umschuldung einhergehende Bankenkrise rasch gelöst wird.
Warum ist der Schuldenschnitt der bessere Weg?
Letztlich wird die Eurozone zwischen einer Entschuldung durch Inflation oder durch einen Schuldenschnitt einzelner Krisenländer wählen müssen. Eine Umschuldung hat viele Vorteile, vor allem, wenn sie rechtzeitig durchgeführt wird.
In einer geordneten Insolvenz tragen Anleger die Folgen ihres privaten Investitionsrisikos, was zur Vorsicht bei zukünftigen Anlageentscheidungen erzieht. Bei einer Schuldenvergemeinschaftung ist dies nicht der Fall.
Ein rechtzeitiger Schuldenschnitt verteilt Lasten auch auf Investoren außerhalb der Eurozone.
In einem Schuldenschnitt werden die Kosten hauptsächlich von wohlhabenden Finanzinvestoren getragen. Werden Schulden hingegen vergemeinschaftet, tragen die Steuerzahler der Eurozone die Last, wobei die Masse des Steueraufkommens auf die Mittelschicht entfällt.
Ein Schuldenschnitt kann so strukturiert werden, dass Kleinanleger (bis zu einem gewissen Höchstbetrag) besonders geschützt werden.
Eine geordnete Staatsinsolvenz unterbindet kurzfristig den Kapitalmarktzugang, was jedoch eine automatische Verpflichtung zu strikter Haushaltsdisziplin bedeutet. Sie reduziert die notwendigen Kapitalzuschüsse aus den Partnerländern und die Transferzahlungen an diese nach der Umschuldung; eine das politische Klima vergiftende externe Kontrolle kann weniger einschneidend ausfallen.
Stabilität des Finanzsystems
Eine Umschuldung wird die örtlichen Banken hart treffen, da diese ihre Investitionen in Staatsanleihen abschreiben müssen und zudem häufig unterkapitalisiert sind. Manche spanische und griechische Banken haben schon heute ein negatives Eigenkapital, wenn man ihre Aktiva mit realistischen Marktpreisen statt mit Buchwerten bewertet. Bedauernswerterweise haben viele der Banken in den betroffenen Ländern ihre Anlagen in langfristigen Staatsanleihen in den vergangenen neun Monaten noch ausgebaut, ermutigt durch die langfristigen Finanzierungen der EZB im November 2011 und Februar 2012. Zum Beispiel halten die spanischen Banken 160 Milliarden Euro an spanischen Staatsanleihen (Juni 2012). Das entspricht 31,7 Prozent des Ausgabevolumens an spanischen Staatsanleihen, ein dramatischer Anstieg von 13,1 Prozent nur ein Jahr zuvor. Eine schnelle Rekapitalisierung der Banken wird notwendig sein. Dazu müssen aber zuerst die Aktionäre und die Investoren in den von den Banken ausgegebenen riskanten Wertpapieren ihre Verluste realisieren.
Das finanztechnische Instrumentarium für eine effektive Bankenrestrukturierung ist bekannt und in Ländern wie den Vereinigten Staaten oder in Skandinavien vielfach bewährt, inklusive der Umwandlung von Schulden in Eigenkapital, dem Aussetzen von Dividenden an Aktionäre und der zwangsweisen Ausgabe neuer Aktien.
Panikmache hinsichtlich der Staatsinsolvenz
Schon im Falle der Umschuldung Griechenlands wurde im Vorfeld gezielte Panikmache betrieben. Die tatsächliche finanzielle Abhängigkeit der Banken untereinander hat jedoch in den vergangenen vier Jahren stark abgenommen. Ende 2011 beschränkten sich etwa Forderungen britischer Banken an ausländische Banken auf bloße 3,1 Prozent der Aktiva. Das Hauptrisiko ausländischer Banken ist der Abschreibungsbedarf bei ihren eigenen Anlagen in den betroffenen Staatsanleihen. Viele europäische Banken haben ihren Bestand an ausländischen Staatsanleihen seit Herbst 2011 deutlich reduziert, und schon zuvor wären im Fall einer weitreichenden Umschuldung in den GIIPS-Ländern nur wenige der größeren ausländischen Banken von Insolvenzrisiken betroffen gewesen. Weitgehend vernachlässigbar sind die sogenannten Kreditderivate (CDS) auf Staatsanleihen. Das Gesamtvolumen ausstehender CDS-Kontrakte (Nettonominalwerte) für die fünf GIIPS-Länder ist von 66 Milliarden im Januar 2010 auf 42 Milliarden Euro im August 2012 gesunken. Das entspricht weniger als 1,5 Prozent der gesamten Staatsverschuldung dieser Länder. Das CDS-Volumen ist für jeden der fünf Staaten gefallen.
Im Verlauf der Finanzkrise haben sich die Finanzmärkte bewährt und in Stresssituationen ihre Widerstandsfähigkeit bewiesen. Die große Ausnahme war die Reaktion der Märkte nach dem Kollaps von Lehman Brothers im September 2008, als es keine Vorwarnung gab und Marktteilnehmer keine Zeit hatten, sich abzusichern oder Positionen aufzulösen.
Die EZB ist dabei, den Euro zugrunde zu richten
Wichtig ist, dass ein Schuldenschnitt rechtzeitig erfolgt, bevor das Kreditrisiko im Wesentlichen auf ESM oder EZB übertragen ist. Der Schlüssel liegt bei der EZB, die erheblichen Druck auf einzelne Länder ausüben kann, etwa indem sie sich weigert, Schuldtitel eines hochverschuldeten Landes als Sicherheit für die Bereitstellung von Liquidität zu akzeptieren. Die Chancen, dass die EZB ihre Machtposition zugunsten eines rechtzeitigen Schuldenschnitts einsetzt, stehen jedoch nicht gut. Das EZB-Direktorium unter Jean-Claude Trichet hat alles dafür getan, die Insolvenz Griechenlands solange wie möglich hinauszuzögern. Ebensowenig lässt das gegenwärtige EZB-Direktorium erkennen, der Idee von Staatsinsolvenzen aufgeschlossen gegenüberzustehen. In seiner Pressekonferenz am 6. September erwähnte EZB-Präsident Mario Draghi die Möglichkeit der Umschuldung nicht einmal. Dahinter dürften mehrere Gründe stehen, nicht nur die Sorge, dass die EZB bei Beteiligung an einem Schuldenschnitt de facto verbotene Staatsfinanzierung betreibe.
Der bevorstehende Ankauf spanischer und italienischer Staatsanleihen stellt jedenfalls die bislang größte Bedrohung für den Fortbestand der Eurozone dar. Auf lange Sicht kann der Euro nicht überleben, wenn er keine ausreichende politische Unterstützung bei den Wählern findet. Die EZB geht ein hohes politisches Risiko ein, indem sie immer mehr faule Staatsanleihen in ihre Bücher nimmt. Wenn die Kosten der verschleppten Staatsinsolvenzen in den Krisenländern sich schließlich in einer toxischen EZB-Bilanz kristallisieren, könnte die politische Reaktion der Wähler insbesondere in den nördlichen Ländern der Eurozone verheerend sein. Die EZB ist auf dem besten Weg, den Euro zugrunde zu richten.
Krisenbedingte Entschuldung trifft unausweichlich den Steuerzahler
Fazit: Die Regierungen der Krisenländer werden einen Schuldenschnitt - wie Regierungen in fast allen Staatsschuldenkrisen - möglichst weit hinauszögern. Gleichzeitig treiben sie zusammen mit den Gläubigern die Europäisierung und Verstaatlichung privater Insolvenzrisiken voran. Ziel der Bundesregierung muss es dagegen sein, die fortschreitende Verstaatlichung privater Insolvenzrisiken mit allen Mitteln zu blockieren, anstatt sich, wie dies bei EFSF und ESM der Fall ist, daran zu beteiligen. Mit der fortschreitenden Vergemeinschaftung der Insolvenzrisiken wird jede krisenbedingte Entschuldung, egal, ob durch Inflation oder Schuldenschnitt, unausweichlich die Steuerzahler in Deutschland und in anderen Ländern treffen. Wer dies verstanden hat, kann sich nur für einen rechtzeitigen Schuldenschnitt in den Krisenländern einsetzen.
Die Autoren
Ulrich Hege ist Professor für Finanzwirtschaft an der französischen Wirtschaftshochschule HEC in Paris. Der 51 Jahre alte Ökonom stammt aus Württemberg, hat in Frankfurt Wirtschaftswissenschaften studiert und in Princeton promoviert. Es folgten Lehrstationen unter anderem an der Tilburg University in den Niederlanden und als Gastprofessor an der London Business School und der New York University. Sein Hauptinteresse gilt Fragen der Unternehmensfinanzierung, der Bankenregulierung und der Finanzintermediation.
Harald Hau lehrt Wirtschafts- und Finanzwissenschaften an der Universität Genf und ist Lehrstuhlinhaber am Swiss Finance Institute - einer Exzellenzinitiative der Schweizer Hochschulen. Hau stammt aus Fulda, Jahrgang 1966. Promoviert hat er bei Kenneth Rogoff in Princeton, sein wissenschaftliches Interesse gilt der Stabilität von Finanzmärkten, mehrere Preise zieren seine beachtliche Veröffentlichungsliste. Feldforschung hat er beim IWF und der EZB betrieben, zudem lehrte er zehn Jahre an der Business School Insead. (hig.)